Manchmal haben Musik und Tanzen auch etwas mit Politik zu tun. Das ist zwar selten, aber Musik kann nur geschaffen werden, wenn die gesellschaftlichen Grundlagen dafür vorhanden sind. Und dazu gehört u.a., dass Musiker, Urheber, Produzenten, Verlage und viele andere mehr, die Musik schaffen, etwas für ihre Arbeit bekommen. In diesen Tagen kochen die Wogen hoch, denn es geht um die Abstimmung über ein neues Urheberrecht in der EU. Um es vorweg zu sagen: Ich kann jeden Abgeordneten nur beglückwünschen, der es sich traut, angesichts der Mobilmachung gegen diese Reform seine Stimme dem vorliegenden Gesetzesentwurf zu geben!
Ich bin selber Betreiber eines kleinen Musiklabels. Seit der Jahrtausendwende sind meine Einnahmen den Bach runter gegangen. Ein wesentlicher Grund dafür war die Verwendung von Musik im Internet. Da es im Bereich Urheberrecht keine dem digitalen Zeitalter angepassten gesetzlichen Regelungen gab (und bis heute auch nicht gibt), haben die grossen Internetplattformen1), auf denen Du Musik hören kannst, ihre eigenen Regeln für die Nutzung von Musik diktiert. Das bedeutete auf vielen Plattformen, das lange Zeit gar nichts (!) an die gezahlt wurde, die diese Musik geschaffen haben. Bis heute werden Minimalbeträge mit mehreren Nullen hinter dem Komma für ein Streaming bezahlt. Davon kann kein Musiker leben, davon kann auch kein Musiklabel leben.
Kurz nach der Jahrtausendwende habe ich auf meinem Label die letzte selbst produzierte CD herausgebracht. In 2007 dann überhaupt das letzte Album, bei dem der Musiker die Aufnahme selber finanziert hatte. Meinen Laden in Hamburg habe ich damals geschlossen, den Internethandel mit Musik habe ich später ebenso eingestellt.
Einen wesentlichen Anteil an all diesen Entscheidungen hatte die Rechtslage. Es gab kein Recht. Während allen voran ein Konzern, der uns durch seine Suchmaschine ein Begriff geworden ist, mit Musik Milliardenumsätze erzielte1), blieben die, die diese Musik geschaffen haben, draussen vor.
Nun soll Ende dieses Monats endlich und nach vielen vielen Jahren des Verhandelns ein Gesetz verabschiedet werden, dass zum ersten Mal die Musikschaffenden in die Lage versetzen würde, für ihre Kreationen auch einen finanziellen Ausgleich zu fordern. Und schon ist für viele das freie Internet bedroht.
Ich möchte es an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, ob es denn überhaupt noch ein freies Internet gibt. Ob wir ein freies Internet haben, möchte ich sogar in Frage stellen. Ich sehe eher eine Diktatur von einigen dominanten Konzernen1). Diese spielen immer wieder ihr Macht aus, aktuell zu sehen bei der Stimmungsmache, die – allen voran der Konzern mit der Suchmaschine1) – zur Manipulation von Meinungen eingesetzt wird.
Es ist die Rede von „Uploadfiltern“ 2) und einer damit verbundenen Beschneidung der Meinungsfreiheit. Erst einmal steht im EU-Urheberrecht kein Wort von Uploadfiltern. Dort steht, dass eine Plattform verantwortlich gemacht werden kann für ihre Inhalte. Da grosse Internetplattformen1) hieraus die Konsequenz ziehen werden, mit künstlicher Intelligenz zu filtern, was die User (z.B. bei Youtube) hochladen, ist anzunehmen. Dass die künstliche Intelligenz nicht immer erkennen wird, ob es sich z.B. auch mal um Satire handelt, ist ebenso anzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass täglich tausende von Uploads (unberechtigterweise) z.B. von Youtube zurückgewiesen werden.
Ja, ich bin wie viele Netzaktivisten der Meinung, dass es Zensur geben wird. Aber wer zensiert? Die Zensoren sind meines Erachtens die grossen Plattformen1) und nicht das Urheberrecht.
Wenn die künstlich Intelligenz nicht schlau genug ist, müssen eben Teams gebildet werden, die auf Reklamationen der User zeitnah reagieren und die Inhalte nachprüfen! Ja, Teams - richtige Menschen, die man anschreiben oder anrufen kann! Bedauerlicherweise widerspricht aber so ein Modell der Geschäftpolitik der grossen Plattformen1), denen allein die Maximierung ihrer Umsätze wichtig ist.
Durch ein dem digitalen Zeitalter angepasstes Urheberrecht könnte ein Meilenstein gesetzt werden und den Internetgiganten1), die ihre Macht im gesetzesfreien Raum der digitalen Welt 3) seit Jahren skrupellos ausnutzen, ein kleiner Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Und was die Haftung laut Artikel 13 des neuen Urheberrechts angeht ist noch hervorzuheben, dass kleine Plattformen hiervon im Gesetzesentwurf ausgenommen werden.
Zugegebenermassen bin ich persönlich auch nicht mit allen Aspekten des neuen EU-Urheberrechts glücklich. Es handelt sich bei diesem Werk um einen Kompromiss, der in jahrelangen Auseinandersettzungen zwischen den Beteiligten erarbeitet wurde. Aber es ist eine Chance, innerhalb der EU der Gier der grossen Plattformen etwas entgegen zu setzen.
Ein „JA“ zur Urheberrechtsreform wäre ein Schritt, der das Internet dominierende Plattformen dazu auffordert, sich den Grundsätzen demokratisch gewählter Gremien unterzuordnen. Das wäre meines Erachtens ein Schritt zu mehr Demokratie und damit auch zu mehr Freiheit im Internet.
In diesem Sinne – unterstütze gerne jeden Dir bekannten Abgeordneten im europäischen Parlament dabei, den Mut zu finden, dem neuen Urheberrecht seine Stimme zu geben!
1)Ich nenne in diesem Beitrag bewusst keine Namen von internetdominierenden Firmen, insbesondere nicht den einer grossen Suchmaschine, auf den auch diese Webseite angewiesen ist, um überhaupt gefunden zu werden. Diese Suchmaschine wird von niemandem kontrolliert, ausser von dem Konzern selber, der sie betreibt. Für mich ist es nicht ausgeschlossen, dass dieser Konzern seine eigenen Interessen vertritt und sich dies auch in der Programmierung seiner Algorithmen niederschlägt. Als ich das letzte Mal eine Suchabfrage nach Artikel 13 des EU-Urheberrechts machte, waren von den ersten 10 Treffern sieben gegen das neue Urheberrecht, zwei waren inhaltlich ausgewogen, nur einer war für das neue Urheberrecht …
2) Hintergrund zum „Uploadfilter“: Täglich werden Unmengen von Daten von Nutzern auf Youtube oder andere Plattformen geladen. Wenn nach dem neuen Urheberrecht der Betreiber einer Plattform für die Rechtmässigkeit ihrer Inhalte verantwortlich sein sollte, ist davon auszugehen, dass große Plattformen (wie z.B. Youtube) eine Software einsetzen werden, die nicht von den Urhebern genehmigte Inhalte herausfiltert. Für so eine Software steht der Name „Uploadfilter“. Es ist davon auszugehen, dass es zum aktuellen Zeitpunkt keine Software gibt, die z.B. ein Satirevideo als Satire erkennen wird. Da so ein Video durch den Filter zurückgewiesen werden würde, reden Kritiker der Urheberrechtsreform von einem Eingriff in die Meinungsfreiheit.
3) Ich bezeichne das Internet gerne als einen gesetzesfreien Raum, da die Gesetzgebung hier in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr hinterhergekommen ist. Da es kaum Regularien gab und gibt, haben die grossen Player des Internets einen gigantischen Überwachungsapparat aufbauen können, den es nie zuvor gegeben hat und der auch kaum einem Nutzer digitaler Medien bewusst ist.
Photo: Susanna Rescio