Gleich beim ersten Stück komme ich ins Träumen... „Prepárense“ - „Bereitet Euch vor!“ heißt passenderweise der erste Tango von
Astor Piazzolla auf der CD
El Porteño vom
Ensemble Libertango. Und so bereite ich mich vor auf den weiteren Hörgenuss, den sie verspricht. Aus Piazzollas Feder stammen weitere 9 Stücke. Die perfekte Chill-out Musik bei einem Cocktail zum Sonnenuntergang - und den Tag noch einmal Revue passieren lassen, bevor ich alles hinter mir lasse und endgültig in den Assoziationen aufgehe, die diese Musik entstehen lässt. Beim Frühling in Buenos Aires („Primavera Porteña“) sehe ich die überbordenden, blau-lilafarbenen Blüten der Jacaranda-Bäume, unvergleichlich in ihrer Schönheit.
Piazzollas vier Jahreszeiten in Buenos Aires (
Las Cuatro Estaciones Portenas) geben dieser CD den Rahmen, in den die weiteren Stücke stimmig eingeordnet sind. Aber ich untertreibe hier! Beim nächsten Anhören finde ich diese Anordnung schon genial! „El aeroplano“ von
Roberto Firpo zaubert die im Frühjahr teils schon laue Abendluft auf meine Wangen – ich kann das so schreiben, weil es jetzt gerade Frühjahr ist und Abend noch dazu! Über „Triunfal“ von Piazzolla geht die Reise weiter zum Sommer von Buenos Aires („Verano Porteño“). Schon stehen mir die Schweißperlen auf der Stirn; denn bei den Sommer-Tangos und Valsecitos kann ich gar nicht still sitzen. „Bordoneo y 900“ habe ich selten so eindringlich gespielt gehört. Schon sitze ich im Theater - ist es etwa das
Teatro Cervantes in Buenos Aires? ... und will bei der Hälfte des Stückes aufspringen und dem Ensemble applaudieren. Bei „Desde el alma“ bleibe ich stehen und schwinge hemmungslos das Tanzbein.
Nach den abklingenden Herbststürmen des „Otoño Porteño“ sinniere ich über Piazzollas „Ballade für einen Verrückten“ nach und lasse mich von dem Frage- und Antwortspiel der „Nocturna“ in die Nacht hineintragen. Wundervoll tanzbar ist „Lágrimas y sonrisas“ in der sanften Einspielung des Ensemble Libertango, mit einem fulminanten Schluss. Tanzend weiter in den Herbst hinein geht es zur behutsamen Annäherung an und doch ausdrucksstarken Interpretation von „Nostalgias“, bei der die verschiedenen Instrumente widersprüchliche Gedanken und Gefühle darzustellen scheinen, um sie dann wieder in Einklang zu bringen.
Der Winter in Buenos Aires („Invierno Porteño“) stimmt mich erst melancholisch und dann doch zuversichtlich, und es ist eine gelungene Überleitung zu „Libertango“. Der plätschernde Winterregen des Pianos wird hier von den tragenden Streichinstrumenten abgelöst, dann interveniert das Akkordeon und alle fiebern gemeinsam dem Finale entgegen. Dieses Stück liebe ich einfach!
Dann höre ich „El Porteño“ gleich noch einmal an und entdecke wieder Neues... Unglaublich!
Diese CD begleitet mich ganz sicher auf meiner nächsten Flugreise nach Buenos Aires. Einen genussvolleren Übergang von Europa nach Argentinien kann ich mir aktuell gar nicht vorstellen.
Ensemble Libertango - El PorteñoSusanne Mühlhaus